Umweltbüro Lichtenberg

Geschmäcker sind verschieden – aber wie entwickeln sie sich eigentlich?

Die Ernährungsprägung beginnt schon im Mutterleib. Tatsächlich sind die Schwangerschaft und die erste beiden Lebensjahre am prägendsten für das Ernährungsverhalten von uns Menschen. Das ungeborene Kind schluckt pro Tag etwa einen Liter Fruchtwasser im Mutterleib. Abhängig von der Kost der Mutter verändert sich der Geschmack des Fruchtwassers täglich, die Geschmacks­knospen des Kindes werden so auf die Ernährungsweise der Familie vorbereitet. Ernährt sich die Mutter in der Schwangerschaft einseitig, kann sich das negativ auf die Geschmacksentwicklung des Kindes auswirken. Ernährungsbedingte Krankheiten wie Adipositas und Diabetes Typ 2 können die Folge sein.

 

Noch bevor wir hören oder sehen können schmecken wir, schon beim acht Wochen alten Fötus entwickeln sich die ersten Geschmacksknospen. Das Fruchtwasser schmeckt leicht süßlich, ebenso die Muttermilch. Schon hier werden wir quasi zu Liebhabern von Süßem.

 

Das Neugeborene kann die Geschmacksrichtungen süß, sauer und bitter auseinanderhalten, wobei sauer und bitter eher abgelehnt werden. Der bittere Geschmackssinn schützte schon den Menschen in der Steinzeit vor dem Tod. Zahlreiche Pflanzen verteidigen sich mit Bitter- und Giftstoffen vor Fressfeinden. Schmeckten Pflanzen bitter, wurden sie vom Menschen nicht verspeist. Das sicherte sein Überleben. Der saure Geschmack bewahrt im Gegensatz vor dem Verzehr unreifen Obstes oder verdorbener Nahrung. Süßes Aroma steht für die Aufnahme von Kohlenhydraten und eine schnelle Energiezufuhr, der salzige Geschmack steht für die Aufnahme von Mineralstoffen.

 

Im Alter von vier Monaten kommen die Geschmacksrichtungen salzig und umami (Würzigkeit) hinzu, das Kind hat nun 10.000 Geschmacksknospen. Etwa doppelt so viele wie ein 40jähriger Mensch. Ein Kind nimmt den Geschmack von Speisen also viel intensiver war als Erwachsene. Die kindliche Abneigung gegen Brokkoli, Kohlrabi und Rosenkohl ist angeboren und verwächst sich mit der Zeit. Ich selbst habe Spinat und Tomaten die ersten 20 Jahre meines Lebens nicht angerührt, heute liebe ich beides.

 

Im Alter von drei Jahren ist die organische Entwicklung des Geschmackssinns abgeschlossen, Geschmackserfahrungen machen wir aber ein Leben lang. Mit jedem Esserlebnis wird der eigene Geschmack komplexer, Fachmenschen sprechen hier auch von der Essbiografie. Meist landen in der Pubertät erste Nahrungsmittel auf dem Speisezettel, die das Kind vorher nicht mochte. Das Kind beim Essen begleiten ist die beste Möglichkeit, den Speisezettel zu erweitern.

 

Die Anzahl der Geschmacksknospen verändert sich im Alter, mit 60 Jahren sind etwa 600 bis 2.000 Geschmacksknospen übrig. Das ist also der Grund dafür, dass Senior*innen mitunter über fades Essen klagen. Bei den heutigen Geschmackserlebnissen geht es selten um das Stillen des Hungers, sondern um besondere Momente. Essentiell für das Geschmacks­erlebnis ist das Kauen, denn hier werden Aromastoffe frei gesetzt. Auch die Nase schmeckt mit!

 

Die Nahrungsmittelproduktion ist in den letzten 50 bis 100 Jahren zu einer Industrie geworden. Immer mehr Menschen weltweit leben in Städten, die eigene Versorgung mit saisonalen Obst und Gemüse ist nur wenigen Menschen möglich. Fast die Hälfte der heute verkauften Lebensmittel gehört in die Kategorie der stark verarbeiteten Lebensmittel. Einen bedenklichen Vorteil gibt es: Fertigkostesser haben weniger Probleme mit Krankheitskeimen!

 

Jugendliche brauchen heute etwa 20mal intensivere Geschmacksreize als noch vor zehn Jahren. Gewöhnt an die Geschmacksverstärker aus den Laboren ist Vielen der natürliche Geschmack verloren gegangen.

Schon in den 1970er Jahren wurden Geschmackstrends gesetzt. Eine ganze Generation ist auf den Vanillegeschmack geprägt, da Säuglingsanfangsnahrung oft mit einer Spur Vanillin versetzt wurde. Heute ist das nicht mehr zulässig; Quark, Joghurt und Pudding mit Vanillegeschmack ist aber aus vielen Kühlschränken nicht weg mehr zu denken.

 

Untersuchungen zeigen, dass Konsumenten die vorwiegend konventionell erzeugte Nahrungsmittel zu sich nehmen, den Geschmack von biologisch produzierter Nahrung als unnatürlich empfinden. Natürlich essen will also gelernt sein.

Im Grunde ist es einfach sich gesund zu ernähren: Fachmenschen raten dazu, nichts zu essen was mehr als drei oder vier Zutaten auf dem Etikett hat! Vorrang sollten Lebensmittel haben die aus der Erde kommen, weiterhin sollte Vollkorn- statt Weizenmehl verwendet werden. Und selber kochen ist die Devise, am besten aus Grundnahrungsmitteln.

 

Stellt man samenfeste und biodynamische Gemüsesorten den meist im konventionellen Gemüseanbau verwendeten Hybridsorten gegenüber, muss man feststellen, dass erstere geschmacklich überlegen sind. Hybridsorten bieten ein stabiles Wachstum, sie blühen meist zur gleichen Zeit, haben standardisierte Formen und Farben. Bei samenfesten Sorten ist das anders. Da kann eine Möhre schon auch mal krumm wachsen, dafür überragt der Geschmack dieser Erzeugnisse. Wir Verbraucher entscheiden mit dem Kauf unserer Nahrungsmittel auch über die Produktion unserer Lebensmittel! Wir müssen uns entscheiden – aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.

 

Quellen:
KREO – Das Biomarkt Magazin 01/2021, dennree GmbH, Töpen
Forschungsfelder – Magazin für Ernährung und Landwirtschaft 01/2021, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)

 

 

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