Umweltbüro Lichtenberg

WASSER-REICH

Okay, der 66-Seen-Wanderweg, hier die Eckdaten: Die etwa 400 km lange Rundwanderung zählt zu den attraktivsten Flachland-Wanderwegen Deutschlands. Ein blauer Kreis auf weißem Grund kennzeichnet jede einzelne der 17 Etappen, die im Norden durch ausgedehnte Laubwälder und im Süden meist durch Nadelwälder führen. Mittendrin ist jede Menge natürliches Wasser, gesammelt in großen Seen, kleinen Tümpeln und verwunschenen Fließen. Und Strausberg!
Bewusst war es mir nicht, dass eine Teiletappe des weit bekannten 66-Seen-Wanderweges durch Strausberg führt. Die gut 20 Kilometer zeigen die besten und feuchtesten Seiten der Stadt. Grund genug, mir ein paar Stunden Zeit zu nehmen und auf vergangenen Kinder- und Jugendpfaden zu wandeln.

An einem sonnigen Morgen im März beginnt mein ganz persönlicher Rückblick am S-Bahnhof Strausberg-Stadt, frühjahrsputzende Laubsauger heißen mich herzlich und lautstark willkommen. Ich schlängle mich durch die ersten Häuser und schon drängt sich das Annafließ in mein Gesichtsfeld. Vorbei an der Stadtmauer und an der Statue eines Freiheitskämpfers (ein alter Bekannter, da wir uns viele Jahre täglich auf dem Schulweg begrüßen konnten), überquere ich mit zielstrebigen Schritten die Hegermühlenstraße. Ich überhole einkaufswütige Senioren, die sich so kurz vor acht schon mal vor den Laden stellen wollen und erreiche die innerstädtische Fähranlegerstelle. Das Wasser und seine spiegelglatte Oberfläche wirken beruhigend, vor allem da es sich um die altbekannten Fluten des heimatlichen Straussees handelt. Die Fähre ist auch da! „Schön“ denken Sie sich jetzt wahrscheinlich, „wo soll die Fähre mit dem für Europa einzigartigen Elektroantrieb sonst auch sein“. Nun, manchmal wird das Gefährt auch saniert. Und damit die Reparateure nicht frieren müssen, macht man das nicht in den Wintermonaten, da liegt die Fähre nämlich eh auf dem Trockenen, nein, der Sommer eignet sich doch dafür viel besser! Vor allem der Sommer 2012, in dem ich mich (mit passendem Mann) auf der Fähre trauen lassen wollte. Nun, die Hochzeit war trotzdem toll und einen Tag später fuhr auch die Fähre wieder.

Ich wende mich nach links und gehe über einen großen Holz-Spielplatz, der vom Bildhauer Wolfgang Stübner mitgestaltet wurde. Vorbei an einem Ärztehaus, an dessen Stelle vor 20 Jahren die einzige Disko Strausbergs stand (in der auch ich Stammgast war), führt mich der Weg zwischen meiner ehemaligen Schule und der historischen Badeanstalt Strausbergs hindurch. Mir kommt in den Sinn, dass ich hier vor etwa 30 Jahren schwimmen lernte. Dem östlichen Uferweg des Straussees folgen wir nun weiter in südlicher Richtung, vorbei an Stadtvillen, Kneipkur-Tretbereichen, mehreren großen und kleinen Badestellen sowie Stegen für Ruderboote. Die Beschilderung des 66-Seen-Wanderweges ist hier relativ spärlich, die abzweigende Linienführung nach links an einer breiten Betontreppe ist aber angezeigt. Ich betrete die Käthe-Kollwitz-Straße, folge ihr einige Meter und kann an der nächsten Straßenecke schon die „Villa Eckardstein“ sehen, einen alternativen Club längst vergangener Zeiten, der sich heute mit perfekt saniertem Wohnraum präsentiert. An der Berliner Straße angekommen, überquere ich mit der Straße auch gleich die Gleise der Strausberger Tram-Linie 89. Die Nummer auf den Bahnen bringt mich wieder einmal zum Schmunzeln, handelt es sich doch um die einzige Straßenbahnlinie der Stadt. Ein kleiner Sandweg führt mich geradeaus den Hügel hinauf durch ein kleines Kiefernwäldchen. Linkerhand befindet sich die „Todesbahn“. Unweigerlich werden Erinnerungen an die Helden meiner Kindheit wach, die diese kopfüber herunter rodelten. Ich trete aus dem Wäldchen heraus und komme auf die Friedrich-Ebert-Straße, mein Zuhause während der Lebensjahre 6 bis 18. Ich halte mich rechts und folge der nun gut beschilderten Straße, der 66-Seen-Wanderweg und der Jakobsweg verlaufen hier eine kurze Strecke zusammen. Wo Hauptstraße und Jakobsweg rechts abbiegen, gehe ich geradeaus in den Wald, um bei der nächsten Möglichkeit links die S-Bahngleise zu überqueren. Der Beschilderung des 66-Seen-Wanderwegs folge ich nun wieder durch einen Wald. Kiefern, Eichen und Robinien begleiten mich durch dieses Strausberger Trinkwassergewinnungsgebiet. Erst mischen sich nur vereinzelt Schwarzerlen in den Bestand, ein ausgedehnter Erlenbruch weist einige Meter weiter auf die ersten Ausläufer des Herrensees hin. Die Wasserfläche des Gewässers schummelt sich in meinen Blickwinkel. Im Sommer 2001, im Rahmen meines Vorpraktikums fürs Studium, war ich hier mit dem Fischer im Ruderboot unterwegs, um die Auswirkungen der Sommerstagnation zu begutachten: ein massenhaftes Karpfensterben. Ich folge dem Uferweg am Herrensee, in der Südkurve treffe ich auf eine Bestattungsmöglichkeit der besonderen Art: den Ruheforst. Nur kleine unscheinbare Namensschilder an einigen Bäumen weisen hier darauf hin, dass Menschen unter Bäumen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.


Dem blauen Kreis auf weißem Grund folgend, verlasse ich das Ufer des Herrensees und gelange über einen schmalen Sandweg zu einer Straße. Für wenige Meter wandle ich rechtsseitig auf dem Europaradweg R1, direkt nach der Kurve und der Unterquerung der S-Bahngleise biegt der 66-Seen-Wanderweg nach links in die Jägerstraße ein. Die Strausberger Großsiedlung „Hegermühle“, nicht unbedingt eine Schönheit, tangiere ich somit nur am Rande. An österlich geschmückten Vorgärten vorbei, komme ich zur Schlagmühlenstraße und folge dieser nach links. Die schön sanierte ehemalige „Schlagmühle“ rechts liegen lassend, überquere ich mithilfe einer kleinen Brücke das Annafließ und folge der Ausschilderung nach rechts. In den nächsten Minuten durchquere ich das Landschaftsschutzgebiet „Annatal“, eine Schmelzwasserrinne der letzten Eiszeit. Seicht dahin plätschernd begleitet mich das Annafließ. Ein riesiger „Holzbilderrahmen“ am Rande des Weges weist auf Naturverjüngung hin, hier entsteht eine neue Waldgeneration ohne Neupflanzungen. Ein verwurzelter Weg, gesäumt von alten Eichen und Schwarzerlen, geleitet mich zu einer Verbreiterung des Wasserlaufes, die auf eine frühere Nutzung als Fischteich hinweist. Am Holzgeländer vorbei, biege ich rechts auf einen befestigten Weg ein und halte mich an der Ernst-Thälmann-Straße links. Nur kurz, für einige hundert Meter, folge ich der Straße und überquere wieder einmal die S-Bahngleise. Eine große Informationstafel weist mich auf das Naturschutzgebiet „Lange Dammwiesen“ hin, ein schmaler Pfad führt mich linksseitig in dessen Richtung. Zum wiederholten Male überquere ich das Annafließ, mithilfe einer naturbelassenen Holztreppe erreiche ich höhere Waldbereiche und folge der Wegebeschilderung des 66-Seen-Wanderweges nach links. Die Beschilderung führt auch nach rechts, ein Blick auf die Karte verrät mir aber, dass sich beide Wege nach einigen Metern wieder vereinen. Auf der Suche nach einem mittäglichen Rastplatz nach den ersten 12 Kilometern des Tages, führt mich der Wanderweg zumindest ein Stück auf einem alten Plattenweg entlang, der mich eine ehemalige militärische Nutzung des Gebietes vermuten lässt. Ich komme auf einen sehr schmalen Pfad, der mich in direkter Nähe zu den Gleisen an einem Erlenbruch vorbei führt. Ich halte mich rechts, erste Umzäunungen weisen auf eine Beweidung dieses Gebietes hin. Ich bin gespannt, ob und wann sich die 4-beinigen Landschaftspfleger erstmals blicken lassen. Der vorerst nicht sehr einladende Weg wird nun schmaler und naturbelassener, mit jedem Meter, den wir uns vom Bahngleis entfernen, zeigen sich die Besonderheiten des Gebietes mehr und mehr. Ich folge den Schildern mit dem blauen Kreis und gelange an einen schönen, fast verwunschenen Aussichts- und Picknickplatz. Die Langen Dammwiesen liegen jetzt vor mir, ein Kalkmoor, das - wie mir ein Blick auf die Informationstafel verrät -, in der letzten Eiszeit entstanden und seit 1951 als Naturschutzgebiet sowie seit 1998 auch als FFH-Gebiet ausgewiesen ist. Einige hundert Meter weiter stehe ich endlich Tieren gegenüber, Wildpferde und Heckrinder stehen zusammen auf einer Weide in Siedlungsnähe. Ich folge der Beschilderung und komme an der Lemke-Mühle vorbei nach Hennickendorf. Der 66-Seen-Wanderweg würde mich weiter zum Stienitzsee leiten, ich wende mich an der Straße aber nach rechts, um über straßennahe Waldwege zurück nach Strausberg zu gelangen. Unter den ersten Häusern, die ich erreiche, ist auch das Haus, in dem ich meine frühesten Lebensjahre verbrachte, in der Straße des Friedens. Versonnen und rundum glücklich erreiche ich nach einer 18 Kilometer-Wanderung durch meine Kinder- und Jugendzeit den S-Bahnhof Strausberg-Vorstadt und fahre in die große „Weite“ meiner jetzigen Heimat.

 

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